Informationsfreiheitsgesetz: Auswirkungen für öffentliche Auftraggeber
Mit dem geplanten Informationsfreiheitsgesetz möchte die Bundesregierung das Amtsgeheimnis beseitigen und weitestgehende Transparenz der öffentlichen Hand schaffen. Das hat auch Auswirkungen auf die Vergabepraxis.
Karlheinz Moick und Sophie Reiter-Werzin von FSM Rechtsanwälte haben die wichtigsten Fakten und Neuerungen für Auftraggeber in diesem Gastbeitrag zusammengefasst.
Welche Änderungen soll das Informationsfreiheitspaket bringen?
Österreich ist im internationalen Transparenzranking Schlusslicht. Daher will die Bunderegierung mit dem seit 22.02.2021 in Begutachtung befindlichen Entwurf des Informationsfreiheitspakets das Amtsgeheimnis endgültig beseitigen und staatliche Transparenz zur Regel machen.
Sollte das Informationsfreiheitspaket wie vorgeschlagen in Kraft treten, ergeben sich im Überblick folgende Änderungen:
- Es soll ein Bürgerrecht auf Zugang zu staatlichen Informationen kommen. Das Amtsgeheimnis entfällt.
- Auskunftspflichtig werden nicht nur – wie bisher – Verwaltungsbehörden, sondern alle staatlichen Stellen, inklusive vom Rechnungshof geprüfte staatsnahe Unternehmen, sein. Der Rechnungshof selbst wird übrigens ebenfalls auskunftspflichtig werden.
- Bestimmte Auftraggeber sollen auch einer proaktiven Veröffentlichungspflicht von Informationen von allgemeinen Interesse unterliegen (Informationsregister).
- Unternehmungen sollen bereits ab einer Beteiligung der öffentlichen Hand von zumindest 25% der Kontrolle des Rechnungshofs bzw der Landesrechnungshöfe unterliegen. Das erweitert den Kreis der auskunftspflichtigen Stellen nochmals.
Wie soll der Zugang zu staatlichen Informationen ablaufen?
Jede Person kann den Zugang zu staatlichen Informationen bei einer auskunftspflichtigen Stelle beantragen (§ 5 IFG). Die beantragten Informationen müssen bereits vorhanden und verfügbar sein. Die auskunftspflichtigen Stellen müssen nicht erst Informationen erheben oder gesondert aufbereiten.
Auskunftspflichtige Stellen müssen auch nur „fertige“ Informationen weitergeben. Zum Beispiel ist ein Vorentwurf eines Sachbearbeiters, der noch durch den zuständigen Genehmigenden approbiert werden muss, keine fertige Information.
Die angefragte Information – oder auch die Ablehnung der Anfrage – ist innerhalb von vier Wochen mitzuteilen. Aus besonderen Gründen kann diese Frist um weitere vier Wochen verlängert werden.
Muss jede Information weitergegeben werden?
Die Transparenzpflicht des IFG ist grundsätzlich umfassend, mit einigen Ausnahmen. Vor allem dürfen Informationen nicht zugänglich gemacht werden, wenn sie unter einen Geheimhaltungsgrund (§§ 6, 13 Abs 2 IFG – näheres dazu unten) fallen.
Zudem ist der Zugang zu Informationen dann nicht zu erteilen, wenn
- die Anfrage offenbar missbräuchlich erfolgt oder
- die Erteilung der Information die sonstige Tätigkeit der staatlichen Stelle wesentlich und unverhältnismäßig beeinträchtigen würde (§ 9 Abs 3 IFG).
Welche Geheimhaltungsgründe können für öffentliche Auftraggeber relevant sein?
Im Beschaffungsbereich sind potenziell folgende Geheimhaltungsgründe des IFG betroffen:
Zum einen sind Informationen im Interesse der unbeeinträchtigten Vorbereitung einer Entscheidung geheim zu halten. Das betrifft vor allem laufende Vergabeverfahren (z.B. wegen der Vorbereitung der Zuschlagsentscheidung).
Zum anderen dürfen Informationen nicht weitergegeben werden, wenn dadurch dem öffentlichen Auftraggeber ein erheblicher wirtschaftlicher oder finanzieller Schaden zugefügt werden könnte (§ 6 Abs 1 Z 6 IFG).
Steht ein öffentlicher Auftraggeber mit anderen Organisationen in Wettbewerb, dürfen etwa wettbewerblich sensible Daten nicht weitergegeben werden.
Informationen dürfen zudem auch dann nicht weitergegeben werden, wenn berechtigte Interessen anderer auf Geheimhaltung überwiegen (§ 6 Abs 1 Z 7 IFG). Zu den berechtigten Interessen anderer zählen laut Gesetzesentwurf insbesondere
- der Schutz von personenbezogenen Daten,
- die Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder
- der Schutz des geistigen Eigentums.
Bei Beschaffungsvorhaben wird insbesondere die Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen relevant sein. So dürfen etwa Details des Angebots eines Bieters, das Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse oder personenbezogene Daten enthält, nicht weitergegeben werden.
Aber nicht nur berechtigte Interessen von Bietern, sondern auch eigene geschützte Interessen des auskunftspflichtigen Auftraggebers (wie z.B. eigene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse) sind zu wahren. Der Umfang von Informationspflichten wird von der Art des Vergabeverfahrens abhängen. Während bei Ausschreibungen von Standardprodukten im offenen Verfahren meist wenig Geschäftsgeheimnisse vorhanden sind, werden bei Verhandlungsverfahren oder wettbewerblichen Dialogen viel mehr vertrauliche Informationen ausgetauscht.
Ob Informationen herausgegeben werden dürfen oder nicht, muss der Auftraggeber im Rahmen einer Interessenabwägung beurteilen. Dabei hat er in jedem Einzelfall zu prüfen, ob einerseits ein berechtigter Geheimhaltungsgrund besteht, der eine Veröffentlichung der Information verhindern könnte. Andererseits muss der Auftraggeber auch das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung der Information in die Prüfung miteinbeziehen. Überwiegen die schützenswerten Interessen, darf die Information nicht weitergegeben werden.
Ist allerdings das öffentliche Interesse an der Information so groß, dass die Weitergabe gerechtfertigt ist, muss der Auftraggeber die Information weitergeben. Auftraggeber werden bei der Interessensabwägung sehr umsichtig vorgehen müssen, um weder gegen die Geheimhaltungspflichten des BVergG zu verstoßen, noch gegen die Informationspflichten des IFG.
Was Sie zur proaktiven Veröffentlichungspflicht (Informationsregister) wissen müssen
Hoheitlich-tätige Auftraggeber müssen – sofern kein Geheimhaltungsgrund vorliegt – Informationen von allgemeinem Interesse proaktiv in einem auf data.gv.at einzurichtenden Informationsregister veröffentlichen (§ 4 IFG). Insb Auftraggeber im Bereich der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung, aber auch Beliehene, sind daher zur proaktiven Veröffentlichung verpflichtet.
Hinweis: Nicht-hoheitlich tätige Stiftungen, Anstalten, Fonds und Unternehmungen, die der Rechnungshofkontrolle unterliegen, trifft zwar keine proaktive Veröffentlichungspflicht, diese sind aber auf Anfrage zur Auskunft verpflichtet (siehe oben Auskunftspflicht). Börsennotierte Unternehmungen unterliegen weder der Veröffentlichungs- noch der Auskunftspflicht gegenüber BürgerInnen.
Proaktiv im Informationsregister veröffentlicht werden müssen „Informationen von allgemeinem Interesse“. Das sind Informationen, die für einen größeren Personenkreis relevant und aktuell sind. Der Entwurf des Gesetzes erwähnt beispielhaft etwa Gutachten, Stellungnahmen und Verträge ab einem Schwellenwert von EUR 100.000,– (dazu zählen auch Verträge, die außerhalb des Anwendungsbereichs des BVergG vergeben wurden). Hier ergeben sich für öffentliche Auftraggeber Schwierigkeiten: Während bei den Transparenzpflichten des BVergG klar definiert ist, welche Informationen bekanntzugeben sind, gibt es nach dem derzeitigen Entwurf des IFG nur wenige Anhaltspunkte dafür, welche Informationen genau von der aktiven Veröffentlichungspflicht umfasst sind (Eckpunkte eines Vertrags? Der gesamte Vertrag? Dazu auch Beilagen des Vertrags?).
Hinweis: Die Veröffentlichungspflichten des BVergG 2018 bleiben unbeschadet der proaktiven Veröffentlichungspflicht nach dem IFG weiter bestehen!
Fazit
Das geplante Informationsfreiheitsgesetz ist grundsätzlich ein positiver Schritt zu mehr Transparenz, stellt aber öffentliche Auftraggeber vor große Herausforderungen. In Zukunft müssen diese in jedem Einzelfall prüfen, ob berechtigte Schutzinteressen bestehen, die eine Weitergabe der Information verhindern könnten.
Anderseits müssen sie auch das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung berücksichtigen. Wichtige Anhaltspunkte für solche Entscheidungen liefert die vergaberechtliche Judikatur zur Geheimhaltung, auch hier werden regelmäßig Interessenabwägungen vorgenommen.