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Europäische Kommission: Wie man Bieterabsprachen erkennt und erfolgreich bekämpft

3 Minuten Lesezeit

Bieterabsprachen führen laut Studien dazu, dass Angebotspreise um bis zu 60% über dem Marktpreis liegen. Diesen wirksam entgegenzutreten, stellt öffentliche Auftraggeber seit jeher vor große Herausforderungen. Die Europäische Kommission veröffentlichte nun als Hilfestellung eine Bekanntmachung über Instrumente zur Bekämpfung geheimer Absprachen samt Leitlinien für die Anwendung des Ausschlussgrundes.

Bieterabsprachen bei öffentlichen Auftragsvergaben sind der Europäischen Kommission seit Langem ein Dorn im Auge, weil sie ein zentrales Ziel des Vergaberechts vereiteln: die Vergabe von Aufträgen zu angemessenen und marktgerechten Preisen. Durch Bieterabsprachen werden Leistungen um bis zu 60% über den normalen Marktbedingungen eingekauft. Die Kommission sah daher dringenden Handlungsbedarf und veröffentlichte im März eine entsprechende Bekanntmachung zur Bekämpfung derartiger Absprachen. Diese soll Mitgliedstaaten und öffentlichen Auftraggebern wirksame Instrumente zur frühzeitigen Erkennung geheimer Absprachen an die Hand geben und öffentliche Auftragsvergaben professionalisieren.

Was sind verbotene Bieterabsprachen?

Bieterabsprachen treten in Vergabeverfahren in verschiedensten Formen auf. Dazu zählen z.B.

  • die Abstimmung von Inhalt und Preisen der Angebote zur Beeinflussung des Verfahrensergebnisses,
  • das Unterlassen der Abgabe eines Angebots zugunsten anderer Bieter sowie
  • die Aufteilung des Markts nach Auftragsgegenstand oder geographischen Kriterien.

Absprachen zielen darauf ab, den Auftraggeber in dem Glauben zu lassen, dass tatsächlich ein Wettbewerb um einen Auftrag besteht, obwohl die Bieter bereits im Vorhinein vereinbart haben, wer diesen erhält.

Inwiefern schädigen Bieterabsprachen den Staat und den Markt?

Da öffentliche Auftraggeber aufgrund von Bieterabsprachen auf in der Regel weit überhöhte Angebotspreise zuschlagen müssen, treiben diese insgesamt die Staatskosten in die Höhe. Dadurch fehlen die finanziellen Mittel für andere zentrale Aufgaben des Staats. Darüber hinaus werden Unternehmen, die sich an einer Bieterabsprache nicht beteiligen wollen, in der Regel davon abgehalten, sich am betroffenen Markt um Aufträge zu bewerben. Dies trifft besonders KMU, deren Beteiligung an öffentlichen Auftragsvergaben jedoch nach dem Wortlaut des Bundesvergabegesetzes ausdrücklich gewollt ist und gefördert werden soll.

Warum ist es so schwierig, Bieterabsprachen aufzudecken?

Märkte für öffentliche Auftragsvergaben zeichnen sich dadurch aus, dass sich die zu beschaffenden Leistungen und Mengen häufig wiederholen und die Anforderungen an Bieter in Vergabeverfahren oft über Jahre hinweg gleich bleiben. Diese Vorhersehbarkeit macht sie für geheime Absprachen anfälliger als andere Märkte und führt dazu, dass Unternehmen oft unentdeckt über Jahre hinweg kollusiv zusammenarbeiten können. Wenn überhaupt, werden Absprachen in der Regel erst lange nach Beendigung des Vergabeverfahrens bzw vollständiger Vertragsabwicklung aufgedeckt. Dies zeigt auch ein aktuelles Ermittlungsverfahren der Bundeswettbewerbsbehörde: 20 Müllentsorger stehen im Verdacht, seit über 15 Jahren durch Preisabsprachen und Marktaufteilungen gegen kartellrechtliche Bestimmungen zu verstoßen.

Als mögliche Gründe für das Aufdeckungsproblem nennt die Kommission unter anderem die häufig nicht ausreichende Schulung und Erfahrung des Personals bei öffentlichen Auftraggebern im Hinblick auf Bieterabsprachen, das Fehlen entsprechender zeitlicher Ressourcen während des Vergabeverfahrens oder auch korruptes Verhalten des öffentlichen Auftraggebers.

Was muss nach Ansicht der Kommission geschehen?

Zentral für die Bekämpfung geheimer Absprachen ist laut der Kommission, dass die öffentlichen Auftraggeber diesen proaktiv selbst entgegentreten und eine Aufdeckung nicht erst im Nachhinein durch die Wettbewerbsbehörden erfolgt. Mitgliedstaaten und öffentliche Auftraggeber sollen daher beim Aufbau von Kapazitäten zur Aufdeckung geheimer Absprachen unterstützt werden, etwa durch

  • die Bereitstellung von (personellen) Ressourcen, die Vergabeverfahren durchführen können und verbotene Absprachen frühzeitig erkennen und aufdecken,
  • die Nutzung verfügbarer administrativer Anreize zur Belohnung des mit Auftragsvergaben befassten Personals und
  • die Organisation von Schulungen und Sensibilisierungsveranstaltungen für das für Auftragsvergaben zuständige Personal.

Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit zwischen nationalen zentralen Vergabe- und Wettbewerbsbehörden gefördert werden. Diese reduziert nach Ansicht der Kommission zudem das Risiko einer erfolgreichen Anfechtung von Ausscheidensentscheidungen, weil die wettbewerbsrechtliche Expertise die Gesamtbeurteilung erleichtert und die Begründung der Ausscheidensentscheidung stützt.

Konkrete Maßnahmen, die – unter Einhaltung der Datenschutzvorschriften – zur Förderung der Zusammenarbeit gesetzt werden können, sind zB

  • die Einrichtung einer sicheren Kontakt- oder Beratungsstelle für öffentliche Auftraggeber,
  • der Informationsaustausch zwischen den Behörden zur Beurteilung, ob es Muster von Absprachen zwischen Unternehmern gibt sowie
  • die Einführung eines Systems zur gemeinsamen, regelmäßigen Überprüfung ausgewählter Vergabeverfahren.

Hinweis: Die Bekanntmachung der Europäischen Kommission enthält darüber hinaus Leitlinien über die Anwendung der Ausschlussgründe wegen wettbewerbsverzerrender Absprachen. Diese geben unter anderem eine Orientierungshilfe, was unter der in der Vergaberichtlinie nicht definierten Wendung „hinreichend plausible Anhaltspunkte“ zu verstehen ist und was im Zusammenhang mit gemeinsamen Geboten von Bietern, Unterauftragsvergaben, Kronzeugen, Selbstreinigungsmaßnahmen und dem maximalen Ausschlusszeitraum zu beachten ist.

Praxistipp

Die Kommission gibt im Anhang zur Bekanntmachung auch konkrete Tipps für Auftragsvergaben und die damit befassten MitarbeiterInnen. Diese umfassen Ratschläge zur Gestaltung von Vergabeverfahren mit dem Ziel einer Abschreckung vor bzw Erschwerung von Bieterabsprachen. Neben der Verankerung eines vorzeitigen Kündigungsrechts im Leistungsvertrag bei nachträglicher Feststellung verbotener Absprachen nennt die Kommission etwa spezifische Schadenersatzregelungen und die Vermeidung von Wiederholungen in Vergabeverfahren. Weiters gibt die Kommission Tipps zur Aufdeckung von Absprachen bei der Angebotsprüfung (zB Prüfung, ob das Angebot einem „Bietermuster“ entspricht oder ob verschiedene Angebote identische Fehler oder Methoden zur Veranschlagung der Kosten enthalten) und listet Reaktionsmöglichkeiten auf mutmaßliche Absprachen auf.