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Der VwGH zur vertieften Angebotsprüfung bei besonderen Dienstleistungen

2 Minuten Lesezeit

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) beschäftigte sich im Februar 2023 damit, ob bei der Vergabe besonderer Dienstleistungen die Kriterien der vertieften Angebotsprüfung (§ 137 BVergG) anzuwenden sind (VwGH, Ra 2021/04/0223).

Hintergrund

Auftraggeber:innen müssen sich an den Grundsatz der Auftragsvergabe zu angemessenen Preisen halten. Dabei kann es dazu kommen, dass sie eine vertiefte Angebotsprüfung durchführen müssen.

Für die Vergabe besonderer Dienstleistungen (z.B. im Sozial- und Gesundheitsbereich) gelten vereinfachte Verfahrensvorschriften. Dabei sind nur ausgewählte Bestimmungen des BVergG anwendbar, die im § 151 BVergG aufgezählt werden. Unter diesen Bestimmungen befindet sich zwar der Grundsatz der Auftragsvergabe zu angemessenen Preisen nicht jedoch die Bestimmung über die vertiefte Angebotsprüfung.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG, W120 2243130-2/44E)

Der Auftraggeber (Bund) schrieb im Jänner 2021 in einem offenen Verfahren einen Dienstleistungsauftrag über Assistenzleistungen für Schüler:innen mit Autismus-Spektrum-Störungen aus. Die Auftragserteilung sollte in neun Losen geschehen. Über die Zuschlagsentscheidung fand ein Nachprüfungsverfahren am BVwG statt.

Das BVwG kam zum Schluss, dass der Auftraggeber bei fünf Losen eine vertiefte Angebotsprüfung hätte durchführen müssen. Der Angebotspreis der vermutlichen Zuschlagsempfängerin sei bei diesen Losen mehr als 15% von den anderen Angebotspreisen abgewichen, was eine vertiefte Angebotsprüfung veranlassen hätte müssen. Da der Auftraggeber diese nicht durchgeführt hatte, erklärte das BVwG die Zuschlagsentscheidung betreffend dieser fünf Lose für nichtig.

Die Entscheidung des VwGH

Gegen diese Entscheidung brachte der Auftraggeber (Bund) eine Revision beim VwGH ein und beanstandete, dass das BVwG zu Unrecht die Kriterien der vertieften Preisprüfung herangezogen hätte. Diese seien bei der Vergabe besonderer Dienstleistungen nicht anzuwenden.

Der VwGH hielt fest, dass die vertiefte Angebotsprüfung den Grundsatz der Auftragsvergabe zu angemessenen Preisen konkretisiert. Daher sei es nicht zu beanstanden, wenn das BVwG die Kriterien der vertieften Preisprüfung als Anhaltspunkte heranzieht, um zu prüfen, ob eine Vergabe zu angemessenen Preisen erfolgt ist. Umgekehrt sei aber zu beachten, dass das BVergG für besondere Dienstleistungen nur rudimentäre Regeln vorsieht und Auftraggeber:innen eine größere Freiheit in der Verfahrensgestaltung haben. Würde man die Vorgaben der vertieften Preisprüfung vollständig auf die besonderen Dienstleistungen übertragen, würde man diese Zielsetzung behindern.

Im konkreten Fall habe der VwGH die Ansicht des BVwG jedoch nicht überprüfen können, wonach der Auftraggeber in den insoweit betroffenen Losen eine vertiefte Angebotsprüfung hätte durchführen müssen. Er hob das Erkenntnis des BVwG in diesem Punkt mit der Begründung auf, dass der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzt werden müsse.