Flexibilität im Vergabeverfahren: Wann sind zusätzliche Leistungen zulässig?
Im Rahmen von Vergabeverfahren stehen Auftraggeber:innen häufig vor der Herausforderung, auf unerwartete Änderungen im Projektumfang zu reagieren, ohne die Integrität des ursprünglichen Vergabeverfahrens zu gefährden. Das Bundesvergabegesetz (BVergG) 2018 legt hierzu klare Richtlinien fest: Zusätzliche Leistungen sind unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, solange der Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird.
Was sind „zusätzliche Leistungen“?
Zusätzliche Leistungen beziehen sich auf Leistungen, die nicht in den Ausschreibungsunterlagen enthalten waren, jedoch im Laufe des Projekts erforderlich werden. Solche Änderungen können auftreten, wenn beispielsweise ein technischer Aspekt übersehen wurde oder eine Erweiterung des Projekts erforderlich ist. Grundsätzlich sind zusätzliche Leistungen nur dann zulässig, wenn ein Wechsel der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht möglich ist und dies zu erheblichen Schwierigkeiten oder Mehrkosten führen würde.
Dabei müssen zusätzliche Leistungen nicht dieselben Merkmale oder dieselbe Qualität wie die ursprünglich vergebenen Arbeiten aufweisen, sondern lediglich den Auftragsumfang erweitern.
Beispiel: Die:der Auftraggeber:in hat den Bau einer Brücke ausgeschrieben. Während der Arbeiten wird eine zusätzliche Stützkonstruktion aufgrund unerwarteter Bodenverhältnisse erforderlich.
Änderungen, die das Auftragsvolumen nicht beeinflussen, wie beispielsweise Frist- oder Laufzeitverlängerungen, fallen jedoch nicht darunter.
Beispiel: Der Bau einer Brücke ist bis zum 1. Juni 2025 ausgeschrieben. Die Bauzeit wird nachträglich bis zum 1. September 2025 verlängert.
Grenzen der Zulässigkeit
Die Zulässigkeit von zusätzlichen Leistungen ist an drei wesentliche Voraussetzungen gebunden:
- Erforderlichkeit: Es muss ein funktionaler Zusammenhang zwischen den ursprünglich ausgeschriebenen Leistungen und den zusätzlichen Arbeiten bestehen. Dabei sind nicht nur unbedingt notwendige, sondern auch zweckmäßige Zusatzleistungen erlaubt. Entscheidend ist, ob die zusätzlichen Leistungen zur Durchführung des bestehenden Vertrags erforderlich oder für das Erreichen des Beschaffungszwecks notwendig sind.
- Technische oder wirtschaftliche Notwendigkeit: Ein Wechsel der Auftragnehmer:innen ist aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen unmöglich bzw. wäre aufgrund erheblicher Schwierigkeiten oder zusätzlicher Kosten unzumutbar.
- Wertgrenze von 50 %: Der Gesamtwert der zusätzlichen Leistungen darf 50 % des ursprünglichen Auftragswertes nicht übersteigen. Achtung: Diese Regelung gilt nicht im Sektorenbereich!
Quelle
- Vergabeforum 2024, Sturm & Zimmer „Ausgewählte Fragen der Vertragsänderungen in der Praxis“