EuGH: Rechtsnachfolger können keine Inhouse-Vergaben übernehmen
Inhouse-Vergaben sind vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen. Das Bundesvergabegesetz normiert genaue Kriterien, wann so eine Vergabe vorliegt und somit von seinem Anwendungsbereich ausgenommen wird. Ein wesentliches Kriterium ist, dass der Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen des Auftragnehmers ausübt (Kontrollkriterium). Das geschieht meist durch Anteile am Unternehmen.
Bei Umstrukturierungen sollten Auftraggeber überprüfen, ob sie laufende Inhouse-Verträge neu ausschreiben müssen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit einem Fall beschäftigt, bei dem der Auftraggeber während der Vertragslaufzeit eines Inhouse-Auftrags die Kontrolle über den Auftragnehmer verloren hat. Im Mai 2022 entschied der EuGH, dass die Voraussetzungen für eine ausgenommene Inhouse-Vergabe während der gesamten Vertragslaufzeit vorliegen müssen. Sollte der Auftraggeber die Kontrolle über einen Inhouse Auftragnehmer verlieren, muss er den Auftrag neu ausschreiben.
Der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof (Rs C-719/20, Comune di Lerici)
Die italienische Gemeinde Lerici hatte 2005 ein Unternehmen (ACAM) inhouse mit der Abfallbewirtschaftung beauftragt, an dem sie gemeinsam mit anderen Gemeinden beteiligt war. Der Vertrag lief bis 2028. Im Zuge einer Umstrukturierung im Jahr 2013 übernahm ein börsennotiertes Unternehmen (IREN) im Rahmen einer Ausschreibung alle Anteile der Gemeinden an der Auftragnehmerin ACAM, darunter auch die Anteile der Gemeinde Lerici.
Nachdem die Zuständigkeit für die Abfallbewirtschaftung von der Gemeinde auf die Provinz überging, der die Gemeinde angehört, hat die Provinz die ACAM im Jahr 2018 wieder ohne Ausschreibung beauftragt. Die Gemeinde Lerici erhob daraufhin eine Klage, da wegen mangelnder Kapitalbeteiligung keine Inhouse-Vergabe möglich sei.
Der EuGH sah die Beauftragung von 2018 als bloße Fortsetzung des ursprünglichen Vertrages und befand die Fortführung des inhouse vergebenen Auftrags ohne Ausschreibung als rechtswidrig. Der öffentliche Auftraggeber sei nicht mehr am Auftragnehmer beteiligt und könne über diesen keine Kontrolle ausüben. Es hätten sich die grundlegenden Bedingungen des Inhouse-Auftrags geändert und eine Ausschreibung wäre daher erforderlich gewesen.
Der EuGH sieht auch keine Möglichkeit, dass der neue Auftragnehmer den Auftrag weiterführen könnte. Das sei nur bei Aufträgen möglich, die ursprünglich schon im Rahmen eines Vergabeverfahrens vergeben wurden. Für den EuGH änderte auch nichts, dass die IREN die Anteile des Auftragnehmers in einem Vergabeverfahren erworben hat.