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Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung: Ausschreibungsunterlagen richtig anfechten

2 Minuten Lesezeit

Im Nachprüfungsverfahren überprüft das Verwaltungsgericht die Entscheidungen des:der Auftraggebers:Auftraggeberin im laufenden Vergabeverfahren. Dafür muss ein Nachprüfungsantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht eingebracht werden. Das kann entweder das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) oder ein Landesverwaltungsgericht (LVwG) sein. Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens können nur gesondert anfechtbare Entscheidungen sein.

Beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung sind folgende Entscheidungen „gesondert anfechtbar“:

  • die Ausschreibung: das umfasst die Bekanntmachung und die Ausschreibungsunterlagen
  • die Nicht-Zulassung zur Teilnahme
  • die Aufforderung zur Angebotsabgabe
  • sonstige Entscheidungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist
  • das Ausscheiden eines Angebotes
  • die Widerrufsentscheidung
  • die Zuschlagsentscheidung

Fristen

Bei Auftragsvergaben durch den Bund muss der Nachprüfungsantrag innerhalb von 10 Tagen eingebracht werden, wenn die Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung elektronisch geschieht. Sollte die Entscheidung postalisch oder anders übermittelt werden, sind es 15 Tage. Die Frist beginnt mit der Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung bzw. der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung. Fällt der letzte Tag dieser Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, kann der Nachprüfungsantrag am nächsten Arbeitstag eingebracht werden.

Besonderes bei der Anfechtung von Ausschreibungsunterlagen in Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung

Allfällige Rechtswidrigkeiten der Ausschreibung zeigen sich angesichts ihres Umfangs oft erst im Lauf der Angebotserstellung. Diese erfolgt in der Praxis erst gegen Ende der Angebotsfrist, die in der Regel länger als die 10- bzw. 15-tägige Nachprüfungsfrist dauert. Zentrale öffentliche Auftraggeber:innen (Bundesministerien, Bundeskanzleramt, AIT, BBG, BRZ) etwa müssen bei Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung die Angebotsfrist auf mindestens 25 Tage festlegen.

Daher können Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibung über die regulären Anfechtungsfristen hinaus bis spätestens 7 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist oder der Teilnahmeantragsfrist eingebracht werden, sofern diese Frist mehr als 17 Tage beträgt (bzw. mehr als 22 Tage, wenn die Ausschreibungsunterlagen nicht elektronisch zur Verfügung gestellt, übermittelt bzw. bereitgestellt werden). Ohne diese Verlängerung könnten Probleme, die während der Angebotserstellung in den Ausschreibungsunterlagen entdeckt werden, nicht mehr beanstandet werden.

In einem zweistufigen Verhandlungsverfahren ist laut VwGH außerdem nicht auszuschließen, dass der:die Auftraggeber:in (weitere) Ausschreibungsunterlagen nicht nur in der Bekanntmachung, sondern auch gemeinsam mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe zur Verfügung stellt. In so einem Fall wäre es dann zulässig, diese Ausschreibungsunterlagen gemeinsam mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe anzufechten (VwGH 28.03.2023, Ro 2021/04/0035).