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Rechtsschutz für Unternehmen im Vergabeverfahren – Teil 5: Beschwerde an den VfGH

Wenn Bieter:innen mit einer Entscheidung des Bundes- oder Landesverwaltungsgerichts in einem Vergabeverfahren nicht einverstanden sind, können sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einbringen. Doch wie funktioniert das Verfahren und was ist dabei zu beachten?

Wann ist eine Beschwerde an den VfGH möglich?

Der VfGH ist für Beschwerden zuständig, wenn Bieter:innen geltend machen, dass durch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts entweder:

  • ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht (z. B. Grundrechte wie das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf Eigentum, die Erwerbsfreiheit oder der Gleichheitsgrundsatz) verletzt wurden oder
  • eine verfassungs- oder gesetzwidrige generelle Norm (Gesetz oder Verordnung) angewandt wurde.

Ein bloßer Verstoß gegen einfaches Vergaberecht reicht hingegen nicht aus – in diesen Fällen wäre der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zuständig.

Die Frist: Eile ist geboten!

Die Beschwerde muss innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts erhoben werden und kann nicht verlängert werden.

Form und Inhalt der Beschwerde

Eine Beschwerde an den VfGH muss schriftlich erfolgen und folgende Punkte beinhalten:

  • Die Bezeichnung des angefochtenen Erkenntnisses und des Verwaltungsgerichts, das es erlassen hat
  • Die Darstellung des Sachverhalts
  • Die Begründung der behaupteten Verletzung (verfassungsgesetzliches Recht oder Anwendung einer gesetzwidrigen Norm)
  • Das konkrete Begehren, also die Aufhebung der Entscheidung oder die Feststellung der Rechtsverletzung
  • Angaben zur Fristeinhaltung

Die Beschwerde muss zudem alle relevanten Unterlagen enthalten und – falls sie nicht elektronisch eingebracht wird – in mehrfacher Ausfertigung vorliegen.

Braucht es eine Rechtsvertretung?

Im Verfahren vor dem VfGH gilt für Bieter:innen eine Anwaltspflicht. Beschwerden müssen von Rechtsanwält:innen verfasst und eingebracht werden.

Parallel- oder Sukzessivverfahren?

Bieter:innen können eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts sowohl beim VfGH als auch beim VwGH bekämpfen. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Parallelverfahren: Gleichzeitig eine VfGH-Beschwerde und eine VwGH-Revision einbringen.
  2. Sukzessivverfahren: Zunächst eine Beschwerde beim VfGH erheben. Falls diese abgelehnt wird, kann die Angelegenheit an den VwGH übergeleitet werden.

Entscheidung des VfGH

Der VfGH kann eine Beschwerde ablehnen, wenn sie keine Aussicht auf Erfolg hat oder keine verfassungsrechtliche Frage zu klären ist. Wird die Beschwerde angenommen und ihr stattgegeben, hebt der VfGH das angefochtene Erkenntnis auf. Das Verwaltungsgericht muss dann eine neue Entscheidung im Sinne der VfGH-Rechtsansicht treffen.

Blog-Serie „Rechtsschutz für Unternehmen im Vergabeverfahren“

Unternehmen, die an Ausschreibungen teilnehmen, haben im Vergaberecht spezielle Rechtsschutzmöglichkeiten, um sich gegen rechtswidrige Entscheidungen zu wehren. Dieser Beitrag ist der fünfte und letzte Teil unserer fünfteiligen Blog-Serie „Rechtsschutz für Unternehmen im Vergabeverfahren“.