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Türkis-grünes Regierungsprogramm – Auswirkungen auf das Vergaberecht

2 Minuten Lesezeit

Das Regierungsprogramm der kürzlich angelobten türkis-grünen Regierung beinhaltet auch einen Wind-of-Change im Vergaberecht. Erhöhte Direktvergabegrenzen, Pflicht zur Veröffentlichung von Verträgen und vieles mehr. Die spannendsten Maßnahmen für Sie auf einen Blick.

Rechtlicher Kontext

Soviel vorab: Das Regierungsprogramm wird nur in wenigen Punkten konkret. Es bleibt abzuwarten, wann und in welchem Ausmaß tatsächlich Änderungen im BVergG vorgenommen werden und welche der beabsichtigten Maßnahmen im Rahmen der Beschaffungspraxis einiger Bundes-Auftraggeber (ohne Änderung der bestehenden Rechtslage) verwirklicht werden sollen. Die Regierung tendiert jedenfalls zu einem deutlich transparenteren, klimafreundlicheren und regionaleren Zugang im Vergaberecht:

  • Stärkung der Direktvergaben: Einerseits durch Verlängerung der Schwellenwerte-VO und andererseits durch Erhöhung der Schwellenwerte. Die Verlängerung der VO war absehbar, interessant ist die beabsichtigte Erhöhung der Schwellenwerte – welches Ausmaß wird diese tatsächlich erreichen? Die Erhöhung der Beträge würde jedenfalls die Attraktivität von Direktvergaben stärken.
  • Verpflichtung zur Veröffentlichung von Verträgen: Ganz im Sinne des gläsernen Staats sollen Auftraggeber in der Pflicht stehen, Verträge ab einem bestimmten Schwellenwert der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei wird die Auflösung des Spannungsverhältnisses Informationsbedürfnis der Zivilbevölkerung einerseits und Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen von Auftraggebern andererseits eines Höchstmaßes an juristischer Raffinesse bedürfen.
  • Verbindliche ökosoziale Vergabekriterien: Das Vergaberecht wird als wichtiges Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels beschrieben. Äußerst vage bleibt das Regierungsprogramm allerdings in der Art der Umsetzung.
  • Förderung der Regionalität der zu beschaffenden Leistungen: Konkrete Maßnahmen sind dem Regierungsprogramm nicht zu entnehmen. Bei der genauen Ausgestaltung wird jedenfalls zu beachten sein, dass die Maßnahmen nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot verstoßen. Denkbar wären aber vergaberechtlich zulässige Maßnahmen wie zB die Beachtung von ökologischen Kriterien (zB CO2-Fußabdruck) bei der Vergabe. Auch die Schlechterstellung von Bietern/Produkten aus Drittstaaten ist zulässig und wird im Regierungsprogramm sogar ausdrücklich als Maßnahme erwähnt.
  • Einrichtung einer zentralen Beschaffungsstelle im Bereich Bahn, Bim & Bus: Zur Nutzung von Synergieeffekten und Minimierung von Beschaffungskosten soll eine zentrale Servicestelle für Bund, Länder und die diversen Verkehrsbünde eingerichtet werden. Auch in anderen Bereichen ist die Einrichtung von zentralen Beschaffungsstellen angedacht (so im Bereich von militärischen Gütern).
  • Stärkung des Bestbieterprinzips: Als Sisyphos-Aufgabe im Vergaberecht – der jeder Vergabe-Novelle des letzten Jahrzehnts zugrundeliegende Kurs der Stärkung des Bestbieterprinzips wird beibehalten. Den bereits erwähnten ökosozialen Vergabekriterien soll dabei eine entscheidende Rolle zukommen. Ebenfalls sollen die sog Total-Costs-of-Ownership (Kosten eines Produkts über dessen gesamte Lebenszeit) an Bedeutung gewinnen.

Dem Regierungsprogramm sind noch weitere, mit dem Vergaberecht direkt in Verbindung stehende Maßnahmen zu entnehmen. So sollen bei Beschaffungen von IT-Produkten und IT-Dienstleistungen datenschutzfreundliche Voreinstellungen und Nachhaltigkeitskriterien (Stichwort Green-IT) berücksichtigt werden. Auch ein allgemeiner Bürokratieabbau im Vergabebereich ist angedacht. Das Regierungsprogramm enthält schließlich Maßnahmen mit mittelbaren Auswirkungen auf das Vergaberecht (zB die Reduktion von Gold-Plating und eine Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit).