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Faire Vergabe: Wann darf das billigste Angebot ausgeschlossen werden?

2 Minuten Lesezeit

Zu Beginn jedes öffentlichen Vergabeverfahrens stellt sich die Frage, ob der Zuschlag an den billigsten Anbieter oder den wirtschaftlich günstigsten erfolgen soll. Bieter:innen befürchten häufig, dass das billigste Angebot immer den Zuschlag erhält – doch stimmt das wirklich?

Billigstbieterprinzip vs. Bestbieterprinzip

Auftraggeber:innen müssen vor Einleitung des Vergabeverfahrens entscheiden, ob sie dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot (Bestbieterprinzip) oder dem niedrigsten Preis (Billigstbieterprinzip) den Zuschlag erteilen. Das Gesetz bevorzugt grundsätzlich das Bestbieterprinzip und sieht dieses in einigen Fällen zwingend vor. Wenn die Qualitätsstandards der Leistung in den Ausschreibungsunterlagen klar definiert sind, kann der Preis als einziges Zuschlagskriterium (Billigstangebotsprinzip) zur Anwendung kommen. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass der Zuschlag an ein qualitativ minderwertiges Angebot vergeben werden muss.

Ausschluss vom Vergabeverfahren trotz Billigstangebotsprinzip

Eines der Grundprinzipien des Vergabeverfahrens ist die Vergabe von Aufträgen zu angemessenen Preisen. Dies ist entscheidend, um einen fairen und lauteren Wettbewerb zu gewährleisten. Allerdings wird nicht konkret definiert, wann Preise als angemessen gelten.

Trotz billigstem Angebot müssen Auftraggeber:innen Unternehmen in bestimmten Fällen von der Teilnahme an Ausschreibungen ausschließen, wenn die Angebotsprüfung durch den:die Auftraggeber:in ergibt, dass das Angebot:

  • einen im Verhältnis ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweist oder
  • zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweist.

Des Weiteren reicht es für einen Ausschluss vom Vergabeverfahren bereits aus, wenn aufgrund vergleichbarer Erfahrungswerte (z.B. Preisspiegel), vorliegenden Unterlagen (Kostenschätzungen, Preislisten bei Lieferaufträgen usw.) und den Marktverhältnissen Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

Pflicht zur Preisaufklärung

Wenn der:die Auftraggeber:in während der Preisprüfung  zur Erkenntnis kommt, dass es sich um einen ungewöhnlichen niedrigen Preis handelt, dürfen Bieter:innen dennoch nicht vorschnell ausgeschlossen werden. Auftraggeber:innen sind verpflichtet, den Bieter:innen in einem kontradiktorischen Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

In weiterer Folge wird im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung untersucht, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und nachvollziehbar sind. Dabei sind folgende Indikatoren relevant:

  • Im Preis von Positionen müssen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sein. Personalkosten müssen den zugrunde gelegten Kollektivverträgen entsprechen.
  • Ob der Einheitspreis für höherwertige Leistungen höher angeboten wurde als für geringwertige Leistungen.
  • Die Aufgliederung der Preise muss erklärbar sein.