Wofür haften Bieter vor der Zuschlagserteilung?
Durch die Zuschlagserteilung schließen Bieter und Auftraggeber einen Vertrag und haben wechselseitige Vertragspflichten. Davor geben Auftraggeber mit einer Zuschlagsentscheidung unverbindlich bekannt, wem sie beabsichtigen, den Zuschlag zu erteilen. Bieter und Auftraggeber müssen aber bereits vorab sogenannte Schutz- und Sorgfaltspflichten erfüllen. So müssen sie einander insbesondere Umstände mitteilen, die einem gültigen Vertragsabschluss entgegenstehen.
Wenn zukünftige Vertragsparteien ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzen, machen sie sich haftbar und können auf Schadenersatz geklagt werden. Der OGH entschied jetzt über einen Fall in dem eine Auftraggeberin von der voraussichtlichen Vertragspartnerin Schadenersatz dafür verlangte, dass sie keine Bankgarantie vorgelegt hatte und dadurch andere, weniger günstigere, Bieter den Zuschlag erhielten.
Welcher Schaden wird ersetzt?
Zuerst muss die geschädigte Person so gestellt werden, wie sie stünde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre. Damit wird ihr der sogenannte Vertrauensschaden ersetzt. Zusätzlich ist es möglich, dass sie einen Nichterfüllungsschaden erleidet, der aber nur dann ersetzt wird, wenn der Vertrag ohne die Pflichtverletzung zustande gekommen wäre. Wenn im Vergabeverfahren also der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.
Der Fall: Die aussichtsreiche Bieterin konnte keine Bankgarantie vorlegen und musste zahlen
Im konkreten Fall handelte es sich um die Vergabe eines Rahmenvertrags. Die Auftraggeberin teilte der billigsten Bieterin in der Zuschlagsentscheidung die Absicht mit, ihr den Zuschlag zu erteilen. Mit der Zuschlagsentscheidung forderte sie die Bieterin auch dazu auf, die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehene Bankgarantie binnen zehn Tagen zu übermitteln. Die Bieterin konnte sie nicht vorlegen, unter anderen, weil sie der Bank keine Sicherstellung leisten konnte. Daraufhin erhielten die zwei nächstbilligen Bieter den Zuschlag. Der Auftraggeberin entstanden dadurch Mehrkosten, die sie als Schadenersatzleistungen gegen die erste Bieterin einklagte. Sie warf ihr vor, an der Ausschreibung teilgenommen zu haben, obwohl sie nicht dazu in der Lage war, die erforderliche Bankgarantie zu legen. Dadurch sei ihr insgesamt ein Schaden von 316.000 Euro entstanden.
Der OGH entschied, dass die Bieterin durch ihr Verhalten tatsächlich Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt hatte. Das führte dazu, dass die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung zurücknehmen und eine neue Zuschlagsentscheidung übermitteln musste. Dadurch entstand ihr einen Verwaltungskostenmehraufwand von rund 2.200 Euro, den die Bieterin ersetzen muss. Ohne der Pflichtverletzung wäre der Vertrag jedoch trotzdem nicht zustande gekommen: Die Bieterin hätte kein Angebot gelegt und die Auftraggeberin hätte ebenfalls die zwei nächstbilligen Bieter ausgewählt. Der Schaden, der der Auftraggeberin dadurch entstanden ist, die nächstbilligen Bieter zu wählen, wäre ihr also sowieso entstanden. Daher wird ihr nur den Vertrauensschaden in Höhe von 2.200 Euro ersetzt.