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Leitlinie der Europäischen Kommission zu Vergaben in der Coronakrise

2 Minuten Lesezeit

Der Inhalt der Leitlinie

Am 01.04.2020 hat die Europäische Kommission Leitlinien „zur Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation“ veröffentlicht (2020/C 108 I/01). Insbesondere zeigt die Kommission mit diesen Leitlinien auf, in welcher Weise auch in den aktuellen Krisenzeiten öffentliche Aufträge unter Beachtung der unionsrechtlichen Vergabevorschriften vergeben werden können.

Einleitend hebt die Kommission hervor, dass infolge der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Gesundheitskrise mitunter ganz besonders rasche Beschaffungen notwendig sind, weshalb sie die Leitlinien schwerpunktmäßig auf die Auftragsvergabe in Fällen äußerster Dringlichkeit ausgelegt hat. Öffentlichen Stellen soll es nach Ansicht der Kommission möglich sein „innerhalb von Tagen oder sogar Stunden“ (vgl Punkt 1. der Leitlinien) die benötigten Waren und Dienstleistungen zu beschaffen.

Inhaltlich verweist die Kommission zunächst auf die Möglichkeit, dass sowohl bei offenen als auch bei nicht offenen Verfahren „in Fällen einer hinreichend begründeten Dringlichkeit“ die Teilnahmeantrags- bzw Angebotsfristen deutlich verkürzt werden können (vgl Punkt 2.2.).

Zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung geht die Kommission davon aus, dass der spezifische Bedarf von Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen zur Durchführung von Behandlungen sowie an persönlichen Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräten, zusätzlichen Betten und ferner an zusätzlicher Intensivpflege- und Krankenhausinfrastruktur „sicherlich nicht im Voraus vorhergesehen und geplant“ hätte werden können, weshalb darin ein für öffentliche Auftraggeber nicht voraussehbares Ereignis gelegen ist (vgl Punkt 2.3.1.).

Weiters anerkennt die Kommission, dass „zweifelsohne“ dafür gesorgt werden sollte, dass der unmittelbare Bedarf der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen „möglichst schnell gedeckt werden kann“; dabei sei es in den meisten Fällen (im Hinblick auf den durch die ansteigende Infektionskurve erheblich erhöhten kurzfristigen Bedarf) „wahrscheinlich“, dass auch die infolge der Dringlichkeit verkürzten Fristen in offenen bzw nicht offenen Verfahren nicht eingehalten werden könnten (vgl Punkt 2.3.2.). Ebenso nimmt die Kommission schließlich den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen dem nicht voraussehbaren Ereignis und der zwingenden Dringlichkeit als gegeben an (vgl Punkt 2.3.3.).

Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass in solchen Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung Waren und Dienstleistungen zulässigerweise nur in dem unbedingt notwendigen Ausmaß beschafft werden dürfen und solche Verfahren nur „zur Überbrückung bis langfristigere Lösungen gefunden sind“, dienen (vgl Punkt 2.3.4.).

Zusammenfassende Bewertung

In bemerkenswerter Deutlichkeit gibt die Kommission mit den vorliegenden Leitlinien ihr „OK“ für die Durchführung von Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zum Zwecke der Beschaffung dringend benötigter Waren und Dienstleistungen in der aktuellen Coronakrise. Allerdings mahnt die Kommission dessen ungeachtet dazu, auch bei solchen Beschaffungen maßvoll vorzugehen, wenn sie darauf hinweist, dass Aufträge nur insoweit in Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden dürfen, als dies tatsächlich zur Bewältigung der unmittelbaren Krisensituation erforderlich ist. Jedenfalls muss öffentlichen Auftraggebern unbedingt angeraten werden, auch in der aktuellen Situation nicht darauf zu vergessen, die Gründe für die Zulässigkeit der Inanspruchnahme eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung im Vorfeld der Auftragsvergabe schriftlich festzuhalten.

Bemerkenswert ist schließlich auch der Hinweis der Kommission, dass eine Berufung auf die zwingende Dringlichkeit eines Beschaffungsbedarfs nur dann zulässig ist, wenn dieser auch tatsächlich unverzüglich gedeckt wird; der Ausnahmefall könne nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Auftragsvergabe mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein transparentes offenes oder nicht offenes Verfahren (gegebenenfalls mit verkürzten Fristen) in Anspruch genommen hätte (vgl Punkt 2.3.2 am Ende). Wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll, wenn bei einer Verzögerung der Auftragsvergabe der bestehende Bedarf aber gerade zunehmend dringlicher wird, lässt die Kommission offen.

Europäische Kommission 01.04.2020, 2020/C 108 I/01