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VwGH: Direktvergaben und Zusammenrechnung

2 Minuten Lesezeit

Die Zulässigkeit einer Direktvergabe hängt stets davon ab, ob der Auftraggeber den geschätzten Auftragswert vergaberechtskonform berechnet hat. Der VwGH bestätigt das Vorgehen eines Auftraggebers, der mehrere Direktvergaben über Hygieneartikel nicht zusammenrechnete.

Ausgangssachverhalt

Dem VwGH-Erkenntnis ging eine langjährige Auseinandersetzung zwischen dem Auftraggeber (einem Flughafenbetreiber), seinem langjährigen Lieferanten für Hygieneartikel und einem Mitbewerber des Auftragnehmers (Revisionswerber) voraus.

Der Auftraggeber hatte bereits 2014 den bestehenden Vertrag mit seinem Lieferanten in einem Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung verlängert, wogegen der Revisionswerber – bisher erfolglos – vorgegangen war. 2018 beauftragte der Auftraggeber den Lieferanten neuerlich mit der Lieferung von Papierhandtuchrollen sowie Seife und Lufterfrischer jeweils im Wege von Direktvergaben. Der Revisionswerber brachte neuerlich Feststellungsanträge ein und begehrte die Nichtigerklärung der Verträge. Die Auftragswerte der Direktvergaben hätten, so der Revisionswerber, zusammengerechnet und die Vergabe in einem Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung erfolgen müssen. Das BVwG wies die Anträge ab; die einzelnen Direktvergaben seien zulässig gewesen. Gegen dieses Urteil brachte der Revisionswerber eine außerordentliche Revision beim VwGH ein.

Rechtlicher Hintergrund

Direktvergaben sind bis zu einem geschätzten Auftragswert (netto) von EUR 100.000,- zulässig. Maßgeblich für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes sind alle zum Vorhaben gehörigen Lieferleistungen. Zur Beurteilung, ob mehrere Beauftragungen ein einheitliches Vergabevorhaben darstellen, ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine funktionellen Betrachtungsweise in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht anzustellen (EuGH vom 15.03.2012, C-574/10). Dabei sind unterschiedliche Gesichtspunkte wie wirtschaftlicher und örtlicher Zusammenhang, gemeinsamer Zweck, Planung oder Aufträge aus gleichen Fachgebieten in die Beurteilung miteinzubeziehen.

Eine wertmäßige Zusammenrechnung hat bei der Beschaffung gleichartiger Lieferleistungen auch dann zu erfolgen, wenn jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird. Den geschätzten Auftragswert bildet der Gesamtwert aller gesondert vergebenen Aufträge. Ausschlaggebend für die Beurteilung gleichartiger Leistungen ist, dass im Wesentlichen ein einheitlicher Bieterkreis aus vergleichbaren Stoffen nach den gleichen Fertigungsmethoden Erzeugnisse herstellt, die einem einheitlichen bzw gleichen oder ähnlichen Verwendungszweck dienen. In der Vergabepraxis ist diese Abgrenzung oft die Krux.

Entscheidung

Der Revisionswerber wies im konkreten Fall darauf hin, dass nicht nur alle Direktvergaben die Lieferung von Hygieneartikel (wohl für Sanitärbereiche) eines Flughafens betrafen; die Direktvergabe war sogar jeweils an denselben Auftragnehmer erfolgt.

Der VwGH bestätigte dennoch die auftraggeberfreundliche Entscheidung des BVwG, nach der im konkreten Fall eine Zusammenrechnung der Auftragssummen für die Hygieneartikel nicht erfolgen musste. Papierhandtücher einerseits und Flüssigseife und Lufterfrischer andererseits seien keine gleichartigen Leistungen. Sie würden nämlich nicht aus vergleichbaren Stoffen oder gleichen Fertigungsmethoden hergestellt werden. Auch konnte die Revisionswerberin den VwGH nicht davon überzeugen, dass die Hygieneartikel einem einheitlichen Verwendungszweck dienen würden.

Fazit

Die Auftragswerte gleichartiger Lieferleistungen sind zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts auch dann zusammenzurechnen, wenn getrennte (Direkt-)Vergaben erfolgen. Für die Gleichartigkeit ist etwa auf den Bieterkreis, die Fertigungsmethoden und den jeweiligen Verwendungszweck abzustellen. Papierhandtücher, Flüssigseife und Lufterfrischer für einen Flughafen beurteilt der VwGH als nicht gleichartig. Die Beschaffung der Hygieneartikel kann daher jeweils getrennt und ohne Zusammenrechnung des Auftragswerts erfolgen.

VwGH 04.05.2020, Ra 2018/04/0200