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Ausschluss ohne Urteil? Konsequenzen und Möglichkeiten bei schweren beruflichen Verfehlungen

2 Minuten Lesezeit

Im Rahmen des österreichischen Vergaberechts stellt die „schwere berufliche Verfehlung“ einen Grund für den Ausschluss von Unternehmen aus dem Vergabeverfahren dar. Ziel dieser Regelung ist es, die Integrität und Eignung der Teilnehmer:innen zu gewährleisten und somit die ordnungsgemäße Erbringung der beauftragten Leistungen sicherzustellen. Dies betrifft Unternehmen, die aufgrund bestimmter schwerwiegender Verfehlungen als ungeeignet eingestuft werden.

Was ist eine „schwere berufliche Verfehlung“?

Unternehmen können ausgeschlossen werden, wenn ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung durch die:den Auftraggeber:in nachgewiesen wurde. Dabei muss es sich um eine Handlung handeln, die auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz zurückzuführen ist und die berufliche Integrität des Unternehmens infrage stellt. Beispiele dafür sind etwa Verstöße gegen Wettbewerbsregeln, Korruption oder andere schwerwiegende Rechtsverstöße gegen arbeits-, sozial- oder umweltrechtliche Bestimmungen.

Dabei ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, dass eine solche Verfehlung bereits rechtskräftig festgestellt wurde. Auch ohne eine endgültige Gerichtsentscheidung können Hinweise auf ein Fehlverhalten ausreichen, um Maßnahmen zu ergreifen. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den Rechtssachen Forposta (EuGH C-465/11) und Mantovani (EuGH C-286/99) entschieden, dass selbst eine noch nicht rechtskräftige Gerichtsentscheidung als Nachweis für eine schwere berufliche Verfehlung dienen kann​.

Konsequenzen und Bewertung

Die Schwere einer Verfehlung muss individuell beurteilt werden. Öffentliche Auftraggeber:innen haben dabei einen gewissen Ermessensspielraum, um zu entscheiden, ob das Fehlverhalten so gravierend ist, dass ein Ausschluss gerechtfertigt ist. Allerdings muss dieser Nachweis strengen Anforderungen genügen und objektiv begründbar sein, insbesondere wenn keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt​. Die Beweislast für den Nachweis liegt bei den Auftraggeber:innen.

Ausschluss und Selbstreinigungsmaßnahmen

Um den Ausschluss abzuwenden, können Unternehmen durch Selbstreinigungsmaßnahmen ihre Eignung wiederherstellen. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen:

  • Einführung von Compliance-Richtlinien und Überwachungsprozessen
  • Regelmäßige interne und externe Audits
  • Schulungen und Wissensüberprüfungen der Mitarbeiter
  • Einrichtung eines Compliance Officers und Einführung des Vier-Augen-Prinzips

Diese Maßnahmen müssen nicht nur effektiv und glaubwürdig umgesetzt werden, sondern auch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen. Durch proaktive Selbstreinigungsmaßnahmen können Unternehmen das Risiko zukünftiger Verfehlungen minimieren und ihre Position in zukünftigen Vergabeverfahren sichern.

 


 

Quellen

  • Stalzer & Elsner 2024, „Praktische Erfahrungen mit der Handhabung der Selbstreinigung nach Wettbewerbsverstößen“
  • WKO 2024, „AUSGEWÄHLTE VERGABERECHTLICHEENTSCHEIDUNGEN TEIL XIV“