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Fristen, die öffentliche Auftraggeber bei der Abwicklung eines Vergabeverfahrens im Blick haben sollten

4 Minuten Lesezeit

Bei der Abwicklung eines Vergabeverfahrens gibt es jede Menge Fristen zu beachten. Der öffentliche Auftraggeber hat die für ein Vergabeverfahren erforderlichen Fristen in den Ausschreibungsunterlagen so festzulegen, dass den teilnehmenden Unternehmen ausreichend Zeit für die entsprechenden Handlungen bleibt. Speziell bei Teilnahmeantrags– und Angebotsfristen sowie Fristen für die Ausarbeitung von Lösungen im wettbewerblichen Dialog ist beispielsweise die Komplexität des Leistungsgegenstandes zu berücksichtigen. Dem Unternehmer muss genügend Zeit für die Erstellung des Teilnahmeantrages, Angebotes bzw. der Lösung bleiben.

Fristen in Vergabeverfahren im Unter- und Oberschwellenbereich

Unabhängig davon, ob ein Vergabeverfahren im Ober- oder Unterschwellenbereich liegt, muss der Auftraggeber bei der Festlegung von Auskunfts- und Verbesserungsfristen folgendes beachten:

  • Auskunftsfrist: Wenn Teilnehmer eines Vergabeverfahrens den Auftraggeber zeitgerecht um zusätzliche Auskünfte ersuchen, muss der Auftraggeber diese Auskünfte unverzüglich, jedoch spätestens sechs Tage bzw. bei beschleunigten Verfahren spätestens vier Tage vor Ablauf der Frist für den Eingang der Angebote bzw. Teilnahmeanträge allen Teilnehmern zur Verfügung stellen.
  • Verbesserungsfrist: Wenn der Unternehmer unvollständige oder fehlerhafte Unterlagen übermittelt hat, fordert der Auftraggeber diesen unter Einräumung einer angemessenen Frist zur Übermittlung, Ergänzung oder Erläuterung auf. Bei derart mangelhaften Unterlagen, die zum Ausschluss des Unternehmers vom Vergabeverfahren führen, muss der Auftraggeber nicht zur Nachreichung und Ergänzung von Unterlagen auffordern. Der Auftraggeber legt in der Regel bereits in den Ausschreibungsunterlagen fest, was eine angemessene Frist ist.

Fristen in Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich

Je nachdem welches Vergabeverfahren der Auftraggeber wählt, hat der Auftraggeber unterschiedliche Fristen zu beachten. In zweistufigen Verfahren (nicht offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog, Innovationspartnerschaft oder dynamisches Beschaffungssystem) muss der Auftraggeber die Teilnahmeantragsfrist für das Einbringen der Teilnahmeanträge sowie die Angebotsfrist für die Angebotsabgabe festlegen. In einstufigen Verfahren ist nur die Angebotsfrist zu beachten.

  • Teilnahmeantragsfrist: Für den Eingang der Teilnahmeanträge hat der Auftraggeber eine Frist von mindestens 30 Tagen festzulegen.

Hinweis: Die Teilnahmeantragsfrist von mindestens 30 Tagen kann bei Vorliegen von begründeter Dringlichkeit (z.B. dringender Beschaffungsbedarf an zusätzlicher Homeoffice-Infrastruktur während des Corona-Lockdowns) auf 15 Tage verkürzt werden.

  • Angebotsfrist: Bei zweistufigen Verfahren hängt die Dauer der Angebotsfrist davon ab, wer Auftraggeber ist. Vergeben zentrale öffentliche Auftraggeber (das sind die Bundesministerien, das Bundeskanzleramt, das AIT, die BBG und das BRZ) einen Auftrag im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens oder eines Verhandlungsverfahrens, ist die Angebotsfrist mit mindestens 25 Tagen und im Falle der Beschaffung im Wege eines dynamischen Beschaffungssytems im Ausmaß von mindestens 10 Tagen festzulegen. Bei Vergaben von anderen öffentlichen Auftraggebern kann die Angebotsfrist mit den in der ersten Stufe ausgewählten Bewerbern einvernehmlich festgelegt werden. Wird die Angebotsfrist nicht einvernehmlich festgelegt, hat diese mindestens 10 Tage zu betragen.
    Bei einem einstufigen Verfahren (offenes Verfahren) hat der öffentliche Auftraggeber die Frist für den Eingang der Angebote mit mindestens 30 Tagen festzulegen.

Hinweis: In bestimmen Fällen, insbesondere wenn die Ausschreibungsunterlagen nicht elektronisch zur Verfügung gestellt werden oder wenn die Angebote nicht elektronisch eingereicht werden können, ist die Angebotsfrist um fünf Tage zu verlängern.
Angebotsfristen sind weiters dann zu verlängern, wenn infolge von Berichtigungen der Ausschreibungsunterlagen eine längere Frist für die Erstellung der Angebote erforderlich ist oder wenn zusätzliche Auskünfte nicht innerhalb der Auskunftsfrist gestellt werden. In diesen Fällen ist die Angebotsfrist im Verhältnis zur Bedeutung der geänderten Information angemessen zu verlängern.

Angebotsfristen können aber auch verkürzt werden, wenn eine Vorinformation mindestens 35 Tage und höchstens 12 Monate vor der Auftragsbekanntmachung erfolgte oder dringende Gründe vorliegen. Im offenen Verfahren kann die Angebotsfrist diesfalls auf 15 Tage und im nicht offenen Verfahren oder Verhandlungsverfahren auf 10 Tage verkürzt werden.

Fristen in Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich:

Ebenso wie im Oberschwellenbereich haben Auftragnehmer im Unterschwellenbereich bei der Abwicklung von zweistufigen Verfahren die Teilnahmeantrags- und die Angebotsfrist, in einstufigen Verfahren nur die Angebotsfrist festzulegen. Im Vergleich zum Oberschwellenbereich sind die Fristen im Unterschwellenbereich kürzer.

  • Teilnahmeantragsfrist: Die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge beträgt mindestens 14 Tage.
  • Angebotsfrist: Bei einem offenen Verfahren hat der öffentliche Auftraggeber die Angebotsfrist mit mindestens 20 Tagen zu wählen. Bei zweistufigen Verfahren beträgt die Angebotsfrist hingegen mindestens zehn Tage, wobei der Auftraggeber beim dynamischen Beschaffungssystem einvernehmlich eine kürzere Frist festlegen kann.

Weitere Fristen im Vergabeverfahren:

Nach Abgabe der Angebote hat der Auftraggeber einerseits die Zuschlags und andererseits die Stillhaltefrist zu beachten:

  • Zuschlagsfrist: Die Zuschlagsfrist bezeichnet den Zeitraum zwischen dem Ende der Angebotsfrist und dem Zeitpunkt der Zuschlagserteilung (= Annahme des Angebots). Diese ist kurz zu halten und darf (außer in Ausnahmefällen) fünf Monate nicht überschreiten. Der Bieter ist während der Zuschlagsfrist an sein Angebot gebunden ist. Er darf sein Angebot somit innerhalb dieses Zeitraums weder verändern noch zurückziehen. Ist in der Ausschreibung keine Zuschlagsfrist angegeben, gilt sie als mit einem Monat festgesetzt.
  • Stillhaltefrist: Mit der Mitteilung der Entscheidung, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll (= Zuschlagsentscheidung, beginnt die Stillhaltefrist. Die Stillhaltefrist beträgt bei Abwicklung einer eVergabe 10 Tage, ansonsten 15 Tage. Während der Stillhaltefrist darf der Auftraggeber den Zuschlag nicht erteilen, andernfalls ist dieser absolut nichtig. Die Stillhaltefrist hat den Zweck, dass ein unterlegener Bieter die Zuschlagsentscheidung durch ein Vergabekontrollgericht prüfen lassen kann, bevor der Vertrag mit dem erfolgreichen Bieter tatsächlich abgeschlossen wird.

Beginn der Fristen und deren Berechnung:

  • Die Teilnahmeantragsfrist beginnt im Oberschwellenbereich mit dem Tag der Absendung der Bekanntmachung an das Amt für Veröffentlichungen bzw. mit dem Tag der Absendung der Aufforderung zur Interessensbestätigung, falls die Bekanntmachung im Wege einer Vorinformation erfolgt ist. Im Unterschwellenbereich beginnt die Frist mit der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung zu laufen.
  • Die Angebotsfrist beginnt im Oberschwellenbereich beim offenen Verfahren mit dem Tag der Absendung der Bekanntmachung an das Amt für Veröffentlichungen. Bei zweistufigen Verfahren beginnt die Angebotsfrist hingegen mit dem Tag der Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe. Im Unterschwellenbereich beginnt sie mit der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung zu laufen.
  • Bei der Berechnung der Fristen in Vergabeverfahren ist zu beachten, dass alle Tage außer Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage als Arbeitstage gelten. Fristen, die in Tagen angegeben sind, beginnen um 00:00 Uhr des ersten Tages, an dem die Frist zu laufen beginnt. Für den Beginn einer nach Tagen bemessenen Frist wird der Tag des fristauslösenden Ereignisses nicht mitgerechnet. Eine nach Tagen bemessene Frist endet mit Ablauf der letzten Stunde des letzten Tages der Frist. Ist eine Frist in Stunden angegeben, beginnt sie am Anfang der ersten Stunde und endet mit Ablauf der letzten Stunde.
    Falls der letzte Tag einer Frist auf den Karfreitag, einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt, endet die Frist um 24:00 Uhr des darauffolgenden Arbeitstages.

Beispiel: Bei einer Frist von 30 Tagen und einem fristauslösenden Ereignis am 1. März 2021 endet die Frist somit am 31. März 2021 um 24:00 Uhr.

Auch bei Fristen, die von einem bestimmten Ereignis zurückgerechnet werden (wie z.B. Erteilung von Auskünften vier bzw. sechs Tage vor Ablauf der Angebotsfrist), wird das fristauslösende Ereignis (z.B. Tag des Ablaufs der Angebotsfrist) nicht miteingerechnet.

Beispiel: Endet die Angebotsfrist am 15. November um 12:00 Uhr, so müssen zusätzliche Auskünfte bis spätestens 8. November 24:00 Uhr bereitgestellt werden.

Hinweis: Für die Berechnung der Fristen in Vergabekontrollverfahren kommen die Regelungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) zur Anwendung.

Geprüft von FSM Rechtsanwaltskanzlei