Ausschluss wegen mangelhafter Vertragserfüllung bei einem früheren Auftrag
Ausgangssachverhalt und Entscheidung
Eine öffentliche Auftraggeberin im Raum Steiermark hat Bodenmarkierungsarbeiten in der Region Bruck/Mur für den Zeitraum 2020-2021 in einem offenen Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Die Zuschlagsentscheidung in diesem Vergabeverfahren wurde vom zweitgereihten Bieter insbesondere deshalb angefochten, weil die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin erhebliche Mängel bei der Durchführung von Bodenmarkierungsarbeiten in einem anderen Bundesland erkennen hat lassen, dies zu einer Ersatzvornahme durch diese Auftraggeberin geführt habe und daher der Ausschlussgrund gem § 78 Abs 1 Z 9 BVergG 2018 vorliegt. Diese früheren Bodenmarkierungsarbeiten wurden von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gemeinsam mit einem anderen Unternehmen in einer ARGE erbracht.
Im Nachprüfungsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Stmk wurde zur mangelhaften Leistungserbringung bei den Bodenmarkierungen in dem anderen Bundesland festgestellt, dass sowohl Mängel bei den Flächenmarkierungen, als auch bei den Längsmarkierungen (Mittel- und Randmarkierungen) aufgetreten sind. Bei den Flächenmarkierungen wurden mangelnde Rückstrahlwerte und bei der Linienführung Abweichungen beim Markierungsbild und anderen Funktionen der Markierung festgestellt. Bei Inselumrandungen fehlten Markierungen und waren Fahrbahnverschmutzungen festzustellen.
Für die fehlenden Markierungen wurde von der Auftraggeberin einerseits eine Ersatzvornahme auf Kosten der ARGE vorgenommen und andererseits ein Pönale vom Schlussrechnungsbetrag in Abzug gebracht. Die Ausführungsmängel wurden durch Preisminderungen im Schlussrechnungsbetrag berücksichtigt. Von der Schlussrechnungssumme wurden ca. 10 % abgezogen.
Entscheidungsgründe
Das Landesverwaltungsgericht Stmk bejahte gegenständlich das Vorliegen des Ausschlussgrundes gemäß § 78 Abs 1 Z 9 BVergG, weil die präsumtive Zuschlagsempfängerin bei der Erfüllung eines früheren Vertrags erhebliche Mängel im Zusammenhang mit wesentlichen Anforderungen zu verantworten hat, welche Schadenersatzleistungen nach sich gezogen haben.
Soweit die präsumtive Zuschlagsempfängerin vorgebracht hat, dass die Verfehlungen aus dem früheren Auftrag auf den ARGE-Partner zurückzuführen waren, hat das Landesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin solidarisch für die Leistungserbringung haftet und die präsumtive Zuschlagsempfängerin zudem ein erhebliches Organisationsverschulden trifft.
Zum Ausschlussgrund des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG hielt das Landesverwaltungsgericht Stmk fest, dass sich dieser Ausschlussgrund nicht auf Verträge des jeweils ausschreibenden Auftraggebers beschränkt, sondern auch bei Verträgen für andere (öffentliche) Auftraggeber Platz greift. Voraussetzung für die Vornahme des Ausschlusses sind hierbei die entsprechende Kenntnis und die Beweisbarkeit hierzu.
Der Begriff „erhebliche oder dauerhafte Mängel“ ist europarechtlich auszulegen; ihm liegt nicht der Mangelbegriff des Gewährleistungsrechts im Sinne des § 932 ABGB zugrunde. Auslösender Moment für die Erfüllung des Ausschlussgrundes ist, dass diese Mängel die vorzeitige Beendigung dieses früheren Auftrags bzw eine Schadenersatzleistung oder eine andere vergleichbare Sanktion wie ein Pönale/Vertragsstrafe nach sich gezogen haben.
Anmerkung
Mit diesem Erkenntnis wurde – soweit ersichtlich – erstmals über den mit dem BVergG 2018 neu aufgenommenen Ausschlussgrund des § 78 Abs 1 Z 9 abgesprochen. Die Entscheidung zeigt, dass Unternehmen, die einen vergangenen Auftrag mangelhaft erfüllt haben und dies zu einer vorzeitigen Vertragsbeendigung und/oder zu Ersatzvornahmen, Pönalen und Qualitätsabzügen geführt hat, bei zukünftigen Vergabeverfahren auszuscheiden sind, sofern nicht entsprechende „selbstreinigende“ Maßnahmen iSd § 83 Abs 2 BVergG durchgeführt wurden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die vertragliche Verfehlung bei dem Auftraggeber erfolgt ist, bei dessen Vergabeverfahren man sich beteiligen möchte.
Weiters ist auf die jüngste Entscheidung des EuGH (3.10.2019, Rs C‑267/18 Rn 34ff) hinzuweisen. Aus dieser ergibt sich, dass eine vorzeitige Beendigung eines früheren Auftrages aufgrund erheblicher Mängel vom Bieter im Rahmen des Vergabeverfahrens offenbar aktiv bekanntzugeben ist. Der EuGH führt in diesem Zusammenhang aus, dass bei einer Unterlassung der Angabe dieses möglichen Ausschlussgrundes der Ausschlussgrund gemäß Art 57 Abs 4 lit h Richtlinie 2014/24/EU erfüllt sein könnte (dieser Ausschlussgrund entspricht im Wesentlichen § 78 Abs 1 Z 10 BVergG), weil eine wesentliche Auskunft zur Beurteilung der Eignung nicht erfolgt ist.
Es ist daher zu empfehlen, dass Unternehmen, die einen Auftrag aufgrund erheblicher oder dauerhafter Mängel bei der Vertragserfüllung in der Vergangenheit durch eine vorzeitige Beendigung durch den Auftraggeber verloren haben und/oder dies zu Schadenersatz (oder ähnlichen Sanktionen) geführt hat, entsprechende „selbstreinigende“ Maßnahmen setzen, um solche Mängel künftig hintanzuhalten. Weiters sollten solche Unternehmen, wenn sie sich an einem Vergabeverfahren beteiligen, den Auftraggeber rechtzeitig auf solche „Vorfälle“ in der Vergangenheit aktiv hinweisen, um nicht eine eignungsrelevante Information verschwiegen zu haben.
LVwG Stmk 09.03.2020, 443.8-2976/2019-43